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BIOGRAFIE
Stefano Salis wurde 1970 auf der sardischen Insel Sant’Antioco geboren und ist heute
der verantwortliche Journalist für die Kommentarseite der Tageszeitung Il Sole 24 Ore.
In der Sonntagsbeilage berichtet er darüber hinaus regelmäßig über Bibliophilie, das
Verlagswesen, Kunst, Design und Literatur.
Er hat in der ganzen Welt Vorträge zu diesen Themen gehalten und Journalismus-
Seminare an der Universität Mailand und an der Università Cattolica abgehalten.
Zu seinen Beiträgen in Buchform gehört die Herausgabe (mit Barnaba Fornasetti) von
Piero Fornasetti – Certi paraventi sono stati disegnati due volte (Verlag Henry Beyle).
Zuletzt ist von ihm Sulla scacchiera (Verlag Franco Maria Ricci) erschienen, ein Buch
über das Schachspiel. In Kürze wird im selben Verlag ein Buch über die Steine von Roger
Caillois erscheinen. Bei der Zeitschrift FMR ist er Mitglied des Redaktionsausschusses.
BIOGRAFIE
Deyan Sudjic ist Kritiker und Schriftsteller. Er leitete die Zeitschrift Domus in Mailand,
war Direktor der Architekturbiennale in Venedig und kuratierte Ausstellungen in
London, Istanbul, Kopenhagen und Seoul, die von Stanley Kubrick über Zaha Hadid
zu Paul Smith reichten.
Sein Buch The Language of Things wurde in zehn Sprachen veröffentlicht (auf
Italienisch erschien es unter dem Titel Il linguaggio delle cose 2009 bei Laterza).
Er ist Herausgeber von Anima, einer neuen Designzeitschrift, die im April 2023
lanciert wird.
BIOGRAFIE
Giuseppe Lupo wurde in Lukanien geboren und lebt in der Lombardei, wo er an der
Mailänder Università Cattolica Theorie und Geschichte der literarischen Moderne
lehrt. 2018 gewann er mit Gli anni del nostro incanto den Premio Viareggio und 2011
den Premio Selezione Campiello mit L’ultima sposa di Palmira.
Er ist Autor zahlreicher weiterer Romane, darunter L’americano di Celenne, La carovana
Zanardelli, Viaggiatori di nuvole, L’albero di stanze, Breve storia del mio silenzio und
Tabacco Clan (2022). Er hat mehrere Essays über die Kultur des 20. Jahrhunderts
und die industrielle Moderne veröffentlicht. Sein neuestes Buch ist
La modernità malintesa (2023). Er ist Mitarbeiter der Kulturseiten von Il Sole 24 Ore.
BIOGRAFIE
Die unabhängige Designkuratorin, Autorin und Beraterin Maria Cristina Didero hat mit
Zeitschriften wie Domus, Vogue Italia, L’Uomo Vogue, Flash Art und Apartamento
zusammengearbeitet und war von 2018 bis 2020 Chefredakteurin von ICON
Design. Derzeit fungiert sie als Mailand-Redakteurin der Zeitschrift Wallpaper. Maria
Cristina hat an zahlreichen Veröffentlichungen mitgewirkt und mit vielen Projekten
zusammengearbeitet. Sie arbeitet international und kuratiert Ausstellungen für
Institutionen, Messen und Designveranstaltungen.
14 Jahre lang war sie für das Vitra Design Museum tätig. Im Jahr 2021 war sie Teil
des von Stefano Boeri ausgewählten Kuratorenteams, das für das öffentliche
Programm des Salone del Mobile, Supersalone, verantwortlich war. 2022 wurde sie
zur kuratorischen Leiterin der Messe Design Miami/ ernannt und präsentierte am
MK&G in Hamburg ein Projekt mit dem Titel Ask Me If I Believe in the Future.
AUF DEM WEG IN EINE NEUE MODERNE.
STEFANO SALIS
Das Wort Moderne ist ein faszinierender Begriff, selbst wenn man ihn nur aus-
spricht oder in Gedanken über seine Lippen kommen lässt. Er verführt und befriedigt
die Sinne: schon immer vermittelte er ein sehr konkretes Gefühl des Wohlbefindens und
er erinnert uns daran, dass wir unsere Zeit voller Elan leben sollten, doch auch
daran, dass wir sie als Protagonisten überwinden können. Denn der Begriff modern
beschreibt das Gegenteil von antik oder alt und vermittelt eine Vorstellung von frischen
Ideen und Ergebnissen, die uns einen Blick über den Horizont des bereits Bekannten
hinaus zu werfen erlauben. Moderne vermittelt stets ein positives Gefühl. Doch
gerade deshalb sollte dieser Begriff mit Bedacht eingesetzt werden. Er ist gewiss kein
Patentrezept, und er duldet auch keine Unwahrheiten: Man kann also nicht so tun, als sei
man modern oder innovativ. Man ist es tatsächlich, oder man ist es nicht.
Moderne ist nicht einfach ein Wort, sie ist eine Haltung, eine Vision. Ein weit-
reichendes und langwieriges Projekt; eine kollektive und individuelle Veränderung,
die während ihrer Verwirklichung vollzogen wird. Es gibt daher keine vorgezeichneten
Wege, vielmehr handelt es sich um Experimente, um Pfade, die mit wechselnden
Empfindungen (kollektiv und individuell) und mit den unterschiedlichen Anforderungen,
die die Zeit an den Erfindergeist und an die Fabriken, die für die Umsetzung zuständig
sind, stellt, beschritten werden müssen. Die Moderne ist Kultur, ein Werkzeug des
Wissens und des Lebens, das unsere Art des Seins ständig infrage stellt.
Die Moderne nimmt die Form eines Regenbogens an, bei dem die Ideen den
sich wechselnden Farben gleichen, und die darauf abzielen, die Untergangspropheten
mit ihren ständigen Katastrophenvorhersagen zu widerlegen, aber auch die Wege auf-
zuzeigen, die sich als falsch erwiesen haben, und sie zu perfektionieren. Hinzu kommt:
Wenn wir heute das Konzept in die Welt des Designs übertragen, wenn wir sagen, dass
es nicht mehr zukunftsfähig ist, nach alten Kanons, mit alten Materialien und Ideenzu
produzieren und zu entwerfen – siehe zum Beispiel den bistrattierten Kunststoff –,
dann sollten wir auf der anderen Seite nicht Techniken und Ausdrucksformen verteufeln,
die vielen Menschen (und das gilt insbesondere für den Kunststoff im industriellen
Maßstab) ermöglicht haben, endlich in Wohlstand und Komfort zu leben, was
eine bedeutende Errungenschaft des 20. Jahrhunderts war. Die Geschichte des
Konzepts der Moderne (insbesondere in Italien), seine präzise Deklination in der Welt
des Designs und ein Blick in die Zukunft, die uns erwartet: Das sind die drei Leitlinien,
die auf diesen Seiten folgen werden.
Renommierte Experten auf diesem Gebiet wie Giuseppe Lupo, Deyan Sudjic
und Maria Cristina Didero erklären uns aus ihrem jeweiligen Blickwinkel in knappen, aber
prägnanten Texten, was es bedeutet, über diese Konzepte nachzudenken. Sie zeichnen
uns eine Karte mit der Bedeutung, die unserem Bewusstsein Orientierung gibt.
Wenn in diesen Texten Worte wie Wohlbefinden, Innovation, Nachhaltigkeit, aber auch
Missverständnis, Fehlinterpretation, Umschwung, Kurswechsel vorkommen, sind sie ein
eindeutiger Indikator für die Problematik, die das Konzept darstellt; und sie sind das eigent-
liche Herz der Diskussion.
Für diejenigen, die herstellen, für diejenigen, die kaufen, für diejenigen, die
benutzen, für diejenigen, die Design (und nicht nur Design) erleben, sind die Objekte des
Wandels die Subjekte einer neuen Möglichkeit, Rollen und Schicksale zu interpretieren,
was in diesem Fall keineswegs ein zu bedeutendes Wort ist.
Denn bei der Modernisierung geht es nicht nur darum, auf die Zukunft zu setzen, son-
dern auch um Erinnerungen und Leidenschaften. Um den Respekt für gut gemachte
Dinge, mit der Qualität und der Liebe für das Vollendete, die zeitlose Werte sind.
Um beständige Liebe zum Detail. Um das Bewusstsein, dass wir uns mit Gegenständen
umgeben, die uns unsere Identität verdeutlichen, ja sie sogar explizit machen.
Modern zu sein, ‚mit der Zeit zu gehen’, war folglich nie eine Frage des Besitzes der
neuesten technologischen Errungenschaften. Es geht nicht darum, mit wissenschaftli-
chen Durchbrüchen aufzuwarten, die vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar waren,
es geht nicht darum, sich sozial zu verhalten (so zu tun, als ob), denn das sind nur Regeln,
die die Mode uns auferlegt. Modern ist eine verständnisvolle und einfühlsame Haltung
gegenüber dem, womit wir uns umgeben, gegenüber dem, was dazu dient, dass wir
uns in einen bestimmten Kontext einfügen, unseren eigenen.
Neue Lebensformen, die mit Sicherheit auf uns zukommen werden, stellen
eine große Chance für all diejenigen dar, die heute mit der Dimension einer sozialen und
kulturellen Erfahrung konfrontiert sind, die andere Lösungen für neue Probleme und
innovative Lösungen für wiederkehrende Probleme finden müssen.
Der große Philosoph Zygmunt Bauman schrieb in‚ Moderne und Ambivalenz’:
„Man fühlt sich in dem Maße frei, in dem die Vorstellungskraft die realen Wünsche nicht
übersteigt, und beide die Fähigkeit zu handeln nicht übersteigen.“ Vorstellungskraft,
Realität, Handlungsfähigkeit, Wunsch: Wir bewegen uns in dieser Wortwolke mit dem
Bewusstsein, dass die Grenzen von gestern die Realitäten von heute sind und
die Möglichkeiten von morgen unseren Wunsch widerspiegeln, unermüdlich ein neues
Vokabular von Worten, Dingen und sogar Menschen zu entwerfen. Die Riten einer welt-
lichen Liturgie, die unseren Geist auf überraschende und zuverlässige Weise anspricht.
Moderne ist kein Ziel, sondern das nächste Stück des Weges.
EINE ZUKUNFT, DIE MIT DEN AUGEN ALLER BETRACHTET WIRD.
GIUSEPPE LUPO
Wenn man den Begriff der Moderne verwendet, denkt man heute wie damals
sofort an die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die im letzten Jahrhun-
dert, zwischen den 1940er und 1950er Jahren, stattgefunden haben. Es war eine
Zeit, in der der Übergang von der Zivilisation des Landes zur Zivilisation der Maschinen
unserem Land ein industrielles Gesicht verlieh. Dieses Ereignis, das eine epochale
Dimension hat, ist ein Zeichen der Diskontinuität in Bezug auf die Vergangenheit.
Es markiert einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, weil die Veränderungen nicht
nur Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, sondern auch auf die Verhaltensmuster
des Einzelnen, das anthropologische Gefüge von Familien und sozialen Gruppen,
ja sogar auf die Vorstellung von Stadtlandschaften und Vorstädten.
Niemand denkt heute an das 20. Jahrhundert zurück, ohne die ideologischen
Fragen im Zusammenhang mit dem Einbruch der Technologie zu thematisieren.
Wir kennen die Moderne nicht, doch wir kennen ihren Nachhall, wir messen ihre Aus-
wirkungen, die für alle sichtbar waren und die sich in der Vervielfachung der in den
Fabriken hergestellten Gegenstände – angefangen von Einrichtungsgegenständen
bis hin zu Haushaltsgeräten, von Autos bis hin zu Kleidung – manifestierten, die
aus einer alten handwerklichen Tradition hervorgingen, die die Fabriken dank des
Designs stimulieren und aufwerten konnten und so jenen unverwechselbaren Stil
schufen, dem das Label ‚Made in Italy’ verliehen wurde. In weniger als fünfzehn
Jahren gelang es Italien, sein Selbstverständnis in der Welt radikal zu erneuern:
von einer armen und besiegten Nation, von einem Land der Emigranten zur Wiege
des schönen Lebens, einer Schule der Eleganz und der Raffinesse.
Ein Ereignis dieses Ausmaßes, das einerseits eine Zunahme des Konsums
und die Bejahung einer Massengesellschaft auslöste (zwei Phänomene, auf
die Kulturschaffende im Allgemeinen abzielen), hat andererseits das alltägliche
Leben einer Bevölkerung erleichtert, die bis zur Nachkriegszeit das Konzept eines
stabilen Wohlstands nicht kannte, sondern sich in einer prekären, um nicht zu sagen
mittellosen Situation befand.
Vom 20. Jahrhundert zu sprechen, bedeutet also, von der industriellen Moderne mit all
dem zu sprechen, was diese Formulierung in den Bereichen Politik, Kultur, Philosophie
und Wirtschaft mit sich gebracht hat.
Das Problem lag nicht nur in der schnellen Konsolidierung des technologischen
Niveaus, die für eine Nation, die sich auf dem Schachbrett des Westens behaupten
wollte, unvermeidlich und notwendig war.
Es war die Reaktion auf den Wandel sowohl bei den einfachen Leuten als
auch bei der intellektuellen Elite, ein Gefühl des Unbehagens, ein tiefer Riss in der
alten Welt und auch ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Neuen. Die Kultur-
schaffenden griffen diese Probleme auf und dokumentierten ihre Schwankungen,
weshalb beispielsweise die Literatur, die sich mit diesen Themen befasste,
als Seismograf einer Haltung gelesen werden kann, die meist zersetzend in ihren
Ergebnissen und streng in ihren Urteilen war, Ausdruck einer Antimoderne (und nicht
eines überzeugten Festhaltens an der Moderne), die im ideologischen Substrat
eines komplizierten Jahrhunderts verwurzelt war, das eher dem Zusammenprall
der Gesellschaftsmodelle als dem Dialog und der Integration gewidmet war.
Darin liegt ein paradoxer Widerspruch. Auf der einen Seite die intellektuelle
Elite, die die Ergebnisse der Industrialisierung meist fehlinterpretierte und ihnen
eine skeptische oder negative Lesart verlieh, als ob die Verbreitung von Konsum-
gütern ein strategischer Fehler oder eine Form des Gehorsams gegenüber der Logik
des Kapitalismus sei. Auf der anderen Seite die einfachen Leute - Arbeiter- und
Angestelltenfamilien, die mittlere und untere Mittelschicht - denen die Fabrik
durch die zur Verfügbarkeit ihrer Objekte die Möglichkeit gab, ein höheres Maß an
Lebensqualität zu erreichen, das Gefühl zu haben, Teil von etwas zu sein, das viel
größer ist als ihr individuelles Schicksal: ein frischer Wind, der durch die Welt fegte
und jedem die Zukunft vor Augen führte.
MODERNE BEDEUTET ZU VERSTEHEN, WIE SICH DIE GESELLSCHAFT VERÄNDERT.
DEYAN SUDJIC
Andy Warhol verdrängte in den 1960er Jahren die moderne Kunst in die
Geschichtsbücher und machte Platz für die weniger ideologische Alternative
der zeitgenössischen Kunst. Die moderne Architektur wurde 1972 von dem post-
modernen Kritiker Charles Jencks für tot erklärt. Doch auch wenn sich die
Postmodernisten einen Spaß daraus machten, für Disney Hotels in Form eines riesigen
Schwans zu entwerfen und mit Betonfertigteilen Hochhäuser zu bauen, die
das Kolosseum in den Pariser Banlieues parodierten, ist es uns nicht gelungen, das
Konzept der Moderne aufzugeben.
In gewisser Hinsicht ist der moralische Kreuzzug, den die Moderne einst
darstellte, durch eine Sehnsucht nach der Gewissheit ersetzt worden, für die das
„Moderne“ einst stand. Es ist eine Nostalgie, die wir in der Faszination beobachten
können, die brutalistische Architektur und modernistische Möbel aus der Mitte
des zwanzigsten Jahrhunderts auf eine Generation von Hipstern ausübten. Dies
spiegelt sich in der Hommage von Jony Ive an die Braun-Geräte von Dieter Rams
in seinem Design für Apple und in der anhaltenden Bedeutung der Arbeit von Pionieren
der Moderne wie Jean Prouve und George Nelson für die Möbelindustrie wider.
Es ist nicht schwer, den Reiz eines Designs zu verstehen, das sich im Laufe
der Zeit bewährt hat. Die Werke von Rams und Charles und Ray Eames hatten etwas
Besonderes an sich, etwas, das sie die Zeit überdauern ließ. Schauen Sie sich
die Architektur des Eames House in Santa Monica an, das mit standardisierten
Industriekomponenten gebaut wurde: Es wirkt so frisch und neu wie an dem Tag, an
dem es 1949 fertiggestellt wurde, ganz im Gegensatz zu den veralteten Küchengeräten
(die immer noch vorhanden sind), bei denen sie keine andere Wahl hatten.
Es gibt noch einen anderen, weniger sentimentalen und vielleicht wichti-
geren Aspekt der Faszination der Moderne. Die explosionsartige Ausbreitung
der sozialen Medien und die allgemeine Verbreitung des Smartphones, das vor gerade
einmal sechzehn Jahren von Steve Jobs eingeführt wurde, wurden zunächst als neue
Meilensteine in der Entwicklung der Moderne dargestellt.
Doch in Wirklichkeit hatten sie die unbeabsichtigte Folge, dass die Welt in einen
vormodernen Zustand zurückgeworfen wurde. Twitter sollte das Individuum ermäch-
tigen, doch stattdessen besteht die Gefahr, dass es uns mit seinen intoleranten
Verhaltensweisen ins Mittelalter zurückversetzt. Besonders deutlich wird dies an
der Rückkehr des alten Aberglaubens gegen Impfstoffe und der Vorurteile gegen
Außenseiter, die in einem neuen Zeitalter der Irrationalität leider wieder auftauchen.
Wir müssen neue Wege zur Nutzung der Technologie finden, um einige der
Werte und Freiheiten wiederherzustellen, die ein wesentlicher Bestandteil der
Modernität sind.
Modern zu sein bedeutet nicht, einen bestimmten Stil zu bevorzugen. Es bedeutet,
Wege zu finden, um die Technologie in den Dienst der Menschen zu stellen.
Es bedeutet zu verstehen, wie sich die Gesellschaft verändert. Es bedeutet
Forschung, konkrete Beweise, Vernunft, Verständnis. Terence Conran sagte, dass
Design eine sichtbar werdende Intelligenz sei.
Die Technik bleibt nicht stehen. Modern waren früher Freischwinger aus
Stahlrohr. Buckminster Fuller spottete zu Recht über die Modernisten der Bauhaus-
Schule, weil sie sich nur um das kümmerten, was sie in ihrer Welt sehen konnten,
weil sie Wasserhähne entwarfen, ohne sich um die Rohre und die Ingenieure
zu kümmern, die sie mit Wasser versorgten. Der englische Kritiker Reyner Banham
prognostizierte noch in den 1960er Jahren eine Zukunft, in der Möbel gänzlich ver-
schwinden würden. Wie er vermutete, leben wir in vielerlei Hinsicht in einer Ära, in der
die Objekte entmaterialisiert sind. Wir müssen nach neuen Wegen suchen,
um modern zu sein, und nach modernen Wegen, um den Komfort zu erreichen, den
wir immer in unseren materiellen Besitztümern gesucht haben, die Fähigkeit, die sie
haben, um unser Leben und unsere Erinnerungen zu reflektieren.
DIE VERBINDUNG VON MODERNE UND NACHHALTIGKEIT.
MARIA CRISTINA DIDERO
Wenn ich den Begriff der Moderne in seiner aktuellsten Bedeutung und im
Sinne eines Schlüsselbegriffs für die Zukunft definieren müsste,
würde ich sagen, dass ich ohne Scheu behaupten kann, dass Moderne heute ein
Synonym für Nachhaltigkeit ist. Nachhaltigkeit ist ein Synonym für Teilen. Und teilen
bedeutet, gemeinsam für eine bessere Welt zu arbeiten. Für alle.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema unserer Zeit, das für die Festlegung
künftiger Maßnahmen entscheidend ist. Daher steht sie im Mittelpunkt von Vor-
schlägen, die das Bewusstsein von Produzenten und Verbrauchern in den kommenden
Jahren prägen müssen. Sie scheint in aller Munde zu sein, doch konkrete Maßnah-
men scheinen sich in Grenzen zu halten.
Auch die Welt des Designs kann und sollte sich diesen Anforderungen nicht
entziehen. Projekt, Design, Kultur der Menschen: Keiner dieser Aspekte kann von
der Frage losgelöst sein. Es geht darum, einen weit gefassten Bedeutungsbegriff
neu zu definieren, der im Großen und Ganzen Formen und Strukturen der Produktion,
ästhetische Ergebnisse, Marktanforderungen und bewusstes Denken in den Einkauf
einbezieht. Die allgemeine Wahrnehmung des Wertes eines gestalteten Objekts
hat sich im Vergleich zu früher (als das Schöne und Verschnörkelte das Gesetz dik-
tierte und konzeptionelle Überlegungen sich meist auf ästhetische Bewertungen
beschränkten) natürlich bereits stark verändert, aber das Bewusstsein, die Erkenntnis,
dass unser Planet (und wir mit ihm) ein ernsthaftes Problem hat, bedeutet, dass
sich die Bewertung der Güte eines Produkts radikal verändert hat. Der Markt ist
immer mehr von verantwortungsbewussten Käufern geprägt: Unternehmen müssen
in der Lage sein, auf sie zu reagieren.
Es ist nicht nur ein ethisches Problem, das sich die Unternehmen – mal früher,
mal später – endlich stellen müssen. In der Welt des Designs gibt es heute eine
echte und wachsende Nachfrage des Publikums nach Produkten, die bestimmten
Kanons entsprechen, die ihre tatsächliche Qualität bezeugen und ihre Existenz
mit lohnenden Eigenschaften legitimieren: Stil, Erschwinglichkeit, Widerstandsfähig-
keit. Eine neue nachhaltige Moderne.
Und vielleicht kann man nun sagen, dass die Unternehmen dies verstanden
haben. Sie haben erkannt, dass ein gesundes Produkt heute auch den kommerziellen
Erfolg, den Absatz, das Ansehen und die Fähigkeit, ein aufmerksames Publikum
anzuziehen, wesentlich beeinflusst. Die aufgeklärtesten und fortschrittlichsten
Unternehmer in diesem Bereich haben die Notwendigkeit eines radikalen Wandels
zunächst verstanden und dann verinnerlicht. Nicht nur in der Produktion, sondern
in allen Bereichen der Produktionskette. Alle Prozesse sind Gegenstand von Über-
legungen und Veränderungen, die nicht nur kosmetischer Natur sind: Sie sind
Teil der DNA des Unternehmens und müssen es auch sein. Sie stellen die Gegenwart
dar, sie setzen oft die Vergangenheit fort und sie sind sicherlich die Wurzeln
einer soliden Zukunft. Die Industrie hat sich jedoch nicht nur oft an die Anforderungen
des Marktes angepasst, sondern ist manchmal bewusst dem Geschmack und den
Trends vorausgegangen und hat sie oft diktiert.
Im Bereich des Designs gibt es bereits zahlreiche Designer, Architekten,
Künstler und Verbände, die in diese Richtung arbeiten und einen solchen Weg
von Anfang an verfolgt haben. Für einige von ihnen war dies sogar die unverzichtbare
Inspiration, die ihre Arbeit prägt. Planen ist schließlich ein Verb, dem die Zukunft
naturgemäß innewohnt. Und deshalb ist es notwendig, mehr und verantwortungs-
voller zu planen. Der Designer und das Unternehmen (Mutter und Vater
eines Objekts), die für viele Entscheidungen verantwortlich sind, die den Werdegang
eines Produkts bestimmen, denken darüber nach, wie es hergestellt werden soll.
Von der Wahl der Materialien über die Gesamtwirtschaftlichkeit bis hin zum „aktiven
Denken“, das einen Kreislauf für das Produkt von seiner Entstehung bis zu
seinem Ende und nun möglicherweise bis zur Wiederverwendung vorsieht. Teilen und
wiederverwenden, umdenken: Das ist es, was heute getan werden muss. Und dann
handeln, denn es gibt keine Zeit mehr und vielleicht auch keine Wahl mehr. „Das
Haus steht in Flammen“, behauptet Greta, und wir wissen es.