Michael Thonet (1796-1871) und seine
fünf Söhne waren die erfolgreichsten
Möbelhersteller des Industriezeitalters.
Auf Einladung des österreichischen
Kanzlers Metternich, der seine Produkte
auf der Ausstellung des Vereins der
Kunstfreunde Koblenz gesehen hatte
und ihm vorschlug, sein Patent in
Österreich zu entwickeln, verließ Michael
Thonet im Jahre 1842 das in Deutschland
gelegene Boppard, um sich in Wien
niederzulassen. 1853 gründete er
gemeinsam mit seinen fünf Söhnen das
Unternehmen „Gebrüder Thonet“. In der
Hauptstadt des habsburgischen Reiches
ging Michael Thonet von der Technik des
geleimten Lamellenholzes zu der des
unter Dampf gebogenen Rundholzes
über, d.h. zu einem chemisch-mecha-
nischen Verfahren industrieller Natur.
Dank dieser Innovation begann er,
Holzmöbel herzustellen, indem er eine
Kollektion mit vier gleichermaßen ele-
ganten und rationalen Formen schuf.
Zugleich erlaubte ihm das dabei ange-
wandte Verfahren die Herstellung großer
Mengen. Dazu gesellte sich sofort ein
Vertriebs- und Verkaufssystem, das in
der Lage war, in jeden beliebigen Markt
vorzudringen. In jener Zeit entstanden
Produkte wie der Stuhl „Nr. 1“, der für
das berühmte Palais Schwarzenberg in
Wien entworfen wurde. Er gilt als der
„typische“ Thonetstuhl, von dem spä-
ter die unzähligen Modelle bis hin zum
Stuhl „Nr. 14“ abgeleitet wurden. Der
Einsatz modernster Technologien und
Herstellungsverfahren, die Verbreitung
der Produkte und die zunehmende
Bekanntheit des Unternehmens ver-
anlassten die bedeutendsten Wiener
Architekten dazu, neue Produkte
zu entwerfen. Otto Wagner ließ die
Einrichtung für die Postsparkasse her-
stellen. Adolf Loos entwarf den Stuhl
für das Café Museum und schrieb 1895:
„Als ich in Amerika war, begriff ich, dass
der Thonetstuhl der modernste Stuhl
ist, den es gibt.“ Im Jahre 1911 zählte
der Katalog der Gebrüder Thonet
980 verschiedene Modelle. Am Ende
des Zweiten Weltkriegs entstanden
in verschiedenen Ländern unabhän-
gige Produktionseinheiten, die sich in
getrennte Unternehmen entwickelten.
In Österreich, dem Heimatmarkt von
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GESCHICHTE