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»NUR FÜR
GOURMETS
IST DIESER
PLATZ
LANGFRISTIG
ZU SCHADE«
–
»THIS PLACE
WOULD BE
WASTED ON
GOURMETS
ALONE«
Als er das Le Canard nouveau erstmals betrat, sei es in einem
desolaten Zustand gewesen, erzählt Norman Etzold, während
er an einem Montagabend durch die neuen Gasträume und die
neue Küche führt. Ein Betongerippe – viel mehr sei nicht üb-
rig gewesen von dem Laden in feinster Elbhanglage mit Blick
auf die Containerterminals. Zwei prägende Persönlichkeiten
standen hier, in Hamburg-Othmarschen, über einen langen
Zeitraum am Herd: der Österreicher Josef Viehauser und Ali
Güngörmüş, der im Le Canard nouveau als erster türkisch-
stämmiger Koch einen Michelin-Stern erkochte.
Das Restaurant galt als Treff punkt der gehobenen Gesell-
schaft – fragt man den neuen Küchenchef, muss das in Zukunft
nicht unbedingt so sein.
Norman Etzold, ein 35 Jahre alter Thüringer mit tätowierten
Unterarmen, der zuletzt im Wiener Ein-Sterne-Restaurant „Pa-
lais Hansen“ kochte, war fast von Anfang an dabei und entschied
mit, wie die traditionsreichen Räume umgestaltet wurden. Das
neue Restaurant Le Canard nouveau kommt elegant-reduziert
daher, 54 Gäste fi nden Platz an weiß eingedeckten Tischen,
ringsherum dominieren helle Holztöne und an den Wänden
hängen eingerahmte Skizzen des Stararchitekten Meinhard von
Gerkan, des Besitzers des Restaurants. Zum Gespräch setzt sich
Etzold mit einer Tasse Espresso an den Chefs Table, nur ein glä-
sernes Schiebefenster trennt ihn hier von seinem Arbeitsplatz.
FREIFRAU: Herr Etzold, Sie hatten in Wien einen Job
als Chefkoch in einem Einsternerestaurant. Statt nach
einem zweiten Stern zu streben, fangen Sie jetzt in
Hamburg noch mal von ganz vorn an. Was reizt Sie an
dieser Aufgabe?
NORMAN ETZOLD: Dass ich hier von Beginn an meinen
eigenen Drive reinbringen kann. Ich habe insgesamt
14 Jahre lang in verschiedenen Restaurants und Hotels
gearbeitet. Es ist schön, das Know-how, das ich mir dabei
angeeignet habe, jetzt gesammelt anzuwenden zu dürfen.
FF: Das Le Canard Nouveau hat prominente Vorgänger –
Josef Viehauser und TV-Koch Ali Güngörmüş. Haben
Sie Angst, mit Ihren Vorgängern verglichen zu werden?
NE: Absolut nicht. Klar ist es unser Ziel, wieder einen Stern
zu bekommen, ich werde mich aber nicht daran messen,
was die beiden hier gemacht haben. Josef Viehauser hat
vor 15 Jahren im Le Canard gearbeitet. Da habe ich ge-
rade erst angefangen zu kochen. Jeder weiß, wie schnell
sich die Küche verändert. Auch zu Ali habe ich keinerlei
Bezüge. Ich habe ihn nur kurz kennengelernt, als er
neulich mal zum Lunch vorbeikam. Er hat arabisch-
mediterran gekocht – meine Küche ist ja ganz anders.
FF: Wie kochen Sie denn?
NE: Produktfokussiert, ohne Chichi, mit vielen grünen Aro-
men. Ich nutze die Natur, bereite Gemüse und Früchte
zu, die gerade Saison haben, und wenn es zu viele davon
gibt, wecke ich sie ein oder fermentiere sie. Ich fi nde es
schön, dem Gast zu sagen, dass er gerade eine Taglilien-
knospe isst, die es genau drei Wochen lang gibt. Da
braucht es dann nicht viel mehr dazu als eine schmack-
hafte Mayonnaise. Regionalität schreibe ich mir trotzdem
nicht fett auf die Brust.
FF: Warum nicht?
NE: Weil ich ab und zu gerne eine Jakobsmuschel oder einen
Steinbutt zubereite. Das heißt aber nicht, dass wir
nicht darauf achten, dass unsere Hauptprodukte aus der
Gegend kommen. Zander, Kabeljau oder Lamm zum
Norman Etzold,
Chefkoch / head chef
HAMBURG-TOUR